Artikel in der Zeitschrift „exakt“, Ausgabe 11/2017
Am liebsten erhaltend arbeiten
Christoph Dettmering wollte eigentlich Pfarrer werden – entschied sich dann ober für den Beruf des Restaurators. Bei seiner Arbeit muss der Schreinermeister handwerkliche Fähigkeiten mit kunstgeschichtlichem Wissen verbinden, um den sehr unterschiedlichen Möbeln und Holzobjekten, die man ihm anvertraut, gerecht zu werden.
Wenn Christoph Denmering in seiner mit alten Hölzern, antiken Beschlägen und anderen interessanten Materialien gefüllten Werkstatt zum Hobel greift, geht er vorsichtig zur Sache. Schließlich hat der Stuhl, den er bearbeitet, einen hohen Wert – und sei es nur ein emotionaler Wert für dessen Besitzer. Oberflächenbehandlungen, Marketerie, Intarsien, Vergoldungen – die Anforderungen an einen Restaurator sind vielseitig. „Es ist ein breites Spektrum an Wissen nötig, um eine gute Restaurierung durchzuführen. Im Grunde genommen erfordert sie aber zunächst eine journalistische Tätigkeit”, sagt Dettmering, der seinen Beruf seit gut 30 Jahren ausübt. Man muss für die Befunduntersuchung das Möbelstück und dessen Restaurierung detailliert beschreiben und fotografieren”. Und dann müsse ein Restaurator natürlich die alten Handwerkstechniken, die frühere Möbelschreiner beherrschten, ebenfalls beherrschen. Er muss perfekt mit, Stemmeisen, Säge und anderen Schreinerwerkzeugen umgehen können. Die alten Möbel sind ja ehrlich und gut gebaut, mit sehr viel Liebe zum Detail“, erzählt der 54-Jährige. Und er müsse in der Lage sein, künstlerische Ergänzungen in verschiedenen Materialien, Perlmutt, Messing, oder Schildpatt vorzunehmen, „das ist schon eine kunsthandwerkliche Tätigkeit.“ Auch in der Stilkunde sollte er sich sehr gut auskennen, sowie „die gesamte Architektur verstanden haben, und das auf den Möbelbau übertragen können, beides steht ja in enger Beziehung.“
Gelernt hat Dettmering das alles auf ganz eigene Weise. Wie sein Vater und Großvater studierde er zunächst Theologie, brach aber nach drei Semestern ab, weil ihm klar wurde, dass er immer schon den Wunsch gehabt habe, etwas Handwerkliches zu machen. Er entdeckte seine Liebe zum Holz und wollte anfangs eher in Richtung Möbeldesign gehen. Während seiner Ausbildung bei der Kunsttischerei H. Faltus in Linden kümmerte er sich dann „immer ein bisschen um die alten Dinge, die dort so vorbeigebracht wurden“ und entdeckte, dass Restaurator ein eigenständiger Beruf ist. Die Ausbildungssituation war damals, vor über 30 Jahren, im Umbruch: „Die akademischen Restauratoren fingen an, sich vom Handwerk abzugrenzen. Daraus entwickelte sich der heutige Studiengang“.
Christoph Dettmering hat dann nicht studiert, ging aber einen Ausbildungsweg, der nicht rein handwerklich war, sondern auch der akademischen Ausbildung zugewandt“. Bald nach der Gesellenprüfung im Jahr 1987 trat er eine Volontärsstelle in Mannheim an, weitere drei Jahre arbeitete er bei einem Tischler und Restaurator in Kronberg und durfte als Stipendiat ans Europäische Zentrum für Denkmalpflege in Venedig gehen. Nach der Meisterprüfung 1993 („ich dachte mir, wenn die Zeiten mal nicht mehr so rosig sind, kann ich auch noch als Tischler arbeiten“) eröffnete er eine eigene Werkstatt für Möbel und Holzobjekte in Frankfurt. Mit Erfolg: „Wir sind ein vor allem im Rhein-Main-Gebiet aber auch bundesweit anrrkanner Restaurierungsbetrieb, wir haben unter anderem für die Neueröffnung des Mannheimer Schlosses Möbel restauriert. Auch die hölzerne Inneneinrichtung eines Bentleys und eine große Weltkarte, die in Frankfurt wiederentdeckt wurde und jetzt im Pariser Air France-Museum hängt hat man uns anvertraut“, erzählt der dreifache Vater, der auch noch als Sachverständiger der Handwerkskammer tätig ist. Die Werkstatt teile er mit seiner langjährigen Kollegin Sylke Rös, die sich vor allem in Sachen Oberflächen gut auskennt – die beiden teilen eine Berufsphilosophie.
Erhalten geht vor Erneuern
„Wir bleiben unserer eigenen Linie sehr treu, dass wir am liebsten konservatorisch, also erhaltend arbeiten und keine großen Eingriffe ins Mobiliar machen”, erklärt Christoph Dettmering. Manchmal sei das natürlich nicht möglich – wenn eine Kommode eine kaputte Laufkonstruktion hat, muss die ergänzt werden. „Das kann man aber auf sehr unterschiedliche Weise machen, möglichst wenig von der Originalsubstanz wegschneiden oder eine ganze Seitenwand austauschen. Wir sprechen das immer individuell mit unseren Kunden ab. Oft ist das auch eine Preisfrage“, erläutert der Fachmann.
Es kommen viele Privatkunden zu ihm, aber auch für große Hotels, Banken und Auktionshäuser hat er schon Reparatur-und Retuschierarbeiten ausgeführt. Obwohl übers lnternet ebenfalls Kunden akquiriere werden, ist in Zeiten der Digitalisierung für ihn das Geschäft nicht unbedingt leichter geworden – wir arbeiten in einem Luxussegment, und Antiquitäten sind derzeit nicht mehr so gefragt“, erklärt er. Unter anderem liegt das daran, dass Wohnungen immer kleiner werden, junge Leute mobil und flexibel sein müssen und ihr Geld eher für Computer und Reisen ausgeben als für teure Einrichtungsgegenstände. Dettmering findet allerdings, „dass in jeden Haushalt zumindest ein altes Möbel gehört, um eine schöne Mischung herzustellen“. Deshalb setze er sich für die Erhaltung des alten Handwerks ein, betreibt viel Öffentlichkeitsarbeit, „damit diese alten Techniken nicht in Vergessenheit geraten” und veranstaltet Kurse zum Thema in seiner Werkstatt.
Trotz derzeit etwas geringerer Nachfrage: Aufgeben will er nicht. „Ich denke, dass nach dieser momentanen Flaute die Nachfrage nach Antikem auch wieder steigen wird“, sagt er. Wenn nicht vor Ort dann anderswo. „Wir haben ja ein tolles Kunsthandwerk in Deutschland, und ich könnte mir vorstellen, dass hier restaurierte Möbel irgendwann zum Beispiel nach China wandern, da ist das Interesse an europäischem Kulturgut groß.“
Ulrike Frenkel / Magazin „exakt“, 11/2017